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Interview mit Virgil Hill (am 5. März 2007)
"Es wird verdammt gefährlich für Henry Maske"
Der 43-jährige Weltmeister Virgil Hill wird am 31. März zur Revanche gegen den gleichaltrigen Henry Maske antreten. WELT ONLINE sprach mit dem Amerikaner über fette Zahltage in Deutschland, seinen Wunschgegner Dariusz Michalczewski und die Risiken für seinen Herausforderer.
WELT ONLINE: Mister Hill, haben Sie das Comeback von Axel Schulz gesehen, dem langjährigen Trainingspartner von Henry Maske, der nach sieben Jahren in den Boxring zurückgekehrt ist?
Hill: Nein. Mir ist aber viel über den Kampf erzählt worden. Ich habe auch einiges gelesen. Es muss grausam für Schulz gewesen sein. Es soll ihm noch immer nicht gut gehen.
WELT ONLINE: Ein ähnliches Schicksal könnte auch Henry Maske erleiden. Der einstige Weltmeister, der zehnmal seinen Titel verteidigt hat, hat seit zehn Jahren keinen Kampf bestritten.
Hill: Ich weiß nicht, was Henrys wirkliche Motivation ist, sich gegen die Regeln zu stellen. Es ist verdammt gefährlich, nach so einer langen Pause zurückzukehren. Ich will ja mit ihm im Ring nicht übers Wetter reden. Vermutlich hat ihn das Geld zu dem Schritt bewogen. Alles andere macht wenig Sinn. Zu denken, nach so langer Zeit den Albtraum der ersten Niederlage besiegen zu können, ist doch sehr kühn.
WELT ONLINE: Grenzt es nicht an Größenwahn, wenn Maske nach mehr als zehn Jahren als 43-Jähriger wieder die Boxhandschuhe überzieht, um gleich gegen den Weltmeister zu boxen in dem Glauben, ihn besiegen zu können? Das hat es in der über 120-jährigen Geschichte von Titelkämpfen noch nie gegeben.
Hill: Henry hat sich die Herausforderung selbst ausgesucht. Er allein trägt für sich die Verantwortung. Dafür wird er fürstlich bezahlt. Henry ist aber auch ein Typ, den ich als sehr gewissenhaft einschätze, der genau weiß, was er tut. Er hat zwar zehn Jahre nicht im Ring gestanden, doch das sieht man ihm nicht an. Als ich ihn das erste Mal vor sechs Monaten wieder sah, war ich von seinem Aussehen beeindruckt. Er hat zwar einige Haare weniger auf dem Kopf, doch körperlich hat er sich überhaupt nicht verändert. Er hat kein Gramm zugenommen, wirkt gut trainiert, man könnte denken, er boxt noch immer. Er ist eben nicht der traditionelle Boxer, der, wenn er seine Karriere beendet hat, nichts mehr tut und einen dicken Bauch ansetzt.
WELT ONLINE: Die körperliche Verfassung ist das eine. Im Boxring wird aber noch einiges mehr verlangt: Ein gutes Auge, schnelle Reaktionen, blitzartige Reflexe, Schlaghärte alles Eigenschaften, die mit zunehmendem Alter nicht besser werden. Außerdem hat Maske erst richtig zu trainieren begonnen, als er im Dezember 2006 zu seinem alten Trainer Manfred Wolke zurückgekehrt ist. Nicht einmal vier Monate Vorbereitung sollen ausreichen, um Sie zu besiegen?
Hill: Es ist nicht meine Aufgabe, mir darüber Gedanken zu machen, wie Henry die Herausforderung meistern könnte. Ich habe meinen Weg zu gehen und konzentriere mich nur darauf. Henry ist ein intelligenter Mensch, er wird sich keinem Kampf stellen, bei dem er von vornherein weiß, dass er chancenlos ist. Für ihn steht unheimlich viel auf dem Spiel. In Deutschland ist er ein Gott. So wie bei uns Michael Jordan. Wenn Henry in die Knie geht, ist es mit seiner Herrlichkeit vorbei. Für sein Image wäre es sicher verheerend.
WELT ONLINE: Möglicherweise überschätzt er sich. Sie sind ja nur zwölf Tage älter als er.
Hill: Er kann mich nur unterschätzen, sonst hätte er sich auf diesen Kampf nicht eingelassen.
WELT ONLINE: Werden Sie Maske mit Schlägen verschonen, wenn Sie spüren, dass er kein gleichwertiger Gegner ist, um ihm eine Blamage zu ersparen, wie sie Schulz erlebt hat? Maske ist noch nie ausgeknockt worden.
Hill: Noch einmal: Wir treffen uns im Ring nicht zum Kaffeeplausch. Im Ring geht es um Sein oder Nichtsein. Da will ich gewinnen, egal wie und so schnell wie möglich.
WELT ONLINE: Sportlich betrachtet ist Ihr Duell eher wertlos. Sie sind zwar Weltmeister der World Boxing Association (WBA), doch der Weltverband hat den Kampf nicht als Titelfight sanktioniert. Es geht also nur um das Prestige, denn Ihre Millionenbörsen haben Sie unabhängig vom Ausgang des Kampfes sicher.
Hill: Wenn die beiden richtigen Protagonisten in den Ring klettern, ist es doch egal, ob sie um einen Championgürtel kämpfen. Ich bin nicht der Erste, der auf einen Titelkampf verzichtet, um sich einer lukrativeren Herausforderung zu stellen. Wenn die Namen groß genug sind, stimmt das Business, und darum geht es nun mal im Boxsport. Schließlich ist das unser Beruf. Wenn wir uns im Ring gegenüberstehen, geht es um die Ehre, den Stolz, um die Befriedigung des Egos. Früher waren Titel noch wichtig. Es gab nichts Größeres, als Weltmeister im Schwergewicht zu sein. Die heutige Titelinflation hat den Nimbus aber zerstört. Heute sind die Weltverbände doch nur noch darauf aus, ihre dreieinhalb Prozent Anteil einzustreichen.
WELT ONLINE: Maske würde Sie also bei einem Sieg nicht als Weltmeister beerben.
Hill: Für mich wäre er trotzdem der Champion, denn er hat ja den Champion geschlagen. Und für die Menschen wäre er dann natürlich der Volksheld. Solch ein Titel ist mehr wert als alles andere. Denn ihn kann man sich nicht erkämpfen, sondern bekommt ihn als Huldigung geschenkt.
WELT ONLINE: Maske dürfte Ihnen doch gar nicht gefährlich werden. Schon nach dem Sieg im ersten Kampf haben Sie gesagt: քHenry ist nicht so stark, wie er gemacht wird." Im Gegensatz zu ihm haben Sie seitdem durchgeboxt. In Ihrem letzten WM-Kampf voriges Jahr haben Sie den bis dahin in 30 Kämpfen ungeschlagenen Russen Walerie Brudow dominiert.
Hill: Ich bin Realist, das heißt: Alles ist möglich. Man ist immer einen Punch entfernt vom Erfolg oder Desaster. Durch ein Desaster kannst du das Leben verlieren. Deshalb trainiere ich täglich wenigstens zweimal, um mich davor zu schützen.
WELT ONLINE: Wer hatte eigentlich die Idee für diesen Revanchekampf?
Hill: Die Initiative ging von mir aus. Als ich im Dezember 2005 beim WBA-Meeting in Hamburg war, habe ich Chris Meyer aus dem Sauerland-Stall kontaktiert und ihn gebeten, bei Henry Maske nachzufragen, ob er nicht noch einmal gegen mich kämpfen wolle. Als Antwort bekam ich ein Nein. Als ich dann im nächsten Monat den WM-Kampf gegen Brudow gewann, rief mich kurz darauf Henrys Manager an, und sagte, dass Henry jetzt interessiert sei. In dem Moment dachte ich, nicht richtig zu hören. Denn ganz ehrlich: Ich habe niemals damit gerechnet, dass er sich auf solch ein riskantes Spiel einlassen würde. Wir sind uns danach auch sehr schnell in allen Vertragspunkten einig geworden.
WELT ONLINE: Warum wollten Sie ausgerechnet noch einmal gegen Maske boxen?
Hill: Ich kämpfe nur noch auf großen Events und bei fetten Zahltagen. Beides bekomme ich nur in Deutschland. Natürlich muss der Gegner auch den richtigen Namen haben. Ich hatte übrigens auch bei Dariusz Michalczewski nachfragen lassen. Abgesehen von zwei, drei Ausnahmen wie Oscar de la Hoya, Floyd Mayweather oder Bernhard Hopkins, lässt sich für einen Boxer nirgendwo besseres Geld verdienen als in Deutschland. Ihr Land ist ein Paradies für Boxer. Die Kämpfer leben wie in einem Schlaraffenland. Kein Wunder, dass jeder US-Fighter gern zu Ihnen kommt. Bei uns läuft alles provinziell ab, in Deutschland werden Boxevents zelebriert. Man muss es erlebt haben, um das zu glauben. Hollywood und Las Vegas können sich viel abschauen.
WELT ONLINE: Vor zwei Wochen, als Sie von Maskes geheimem Sparringskampf unter Wettkampfregeln erfuhren, tönten Sie: Wenn er die Bedingungen nicht einhält, können wir den ganzen Scheiß auch lassen!"
Hill: Im ersten Augenblick, als ich davon erfuhr, war ich auch ein bisschen verärgert. Mir ist schon klar, warum er sich unter Wettkampfbedingungen testen will. Meinetwegen soll er jeden Tag solche Kämpfe machen. Aber bitte nicht ohne Kopfschutz. Das ist meine einzige Sorge. Dass das seine Betreuer erlaubt haben, finde ich unverantwortlich. Wenn er sich eine Verletzung zuzieht und der Kampf platzt, wäre das für uns beide eine Katastrophe.
WELT ONLINE: Weil Ihnen viel Geld verloren ginge. Es heißt, mit Ihrer Börse von rund drei Millionen Dollar würden Sie soviel kassieren wie für fünf WM-Kämpfe in den USA.
Hill: Wenn Sie meinen.
WELT ONLINE: Haben Sie schon einmal mehr verdient als diesmal?
Hill: Ein Ranking habe ich nicht parat, ich weiß nur, dass gegen Thomas Hearns, Michalczewski und Maske die Kasse kräftig
geklingelt hat.
WELT ONLINE: Warum genießen Sie in Amerika nicht die Popularität eines Oscar de la Hoya? Ihre Karriere ist doch nicht weniger grandios verlaufen als die des ĄGolden Boy". Sie waren Olympiazweiter 1984, haben sich in Ihren Gewichtsklassen jedem namhaften Profi gestellt, sind 18 Jahre und 140 Tage nach Ihrem ersten Titelgewinn zum fünften Mal Weltmeister geworden.
Hill: Ich bin nicht der Junge, den es ins Rampenlicht zieht. Ich boxe, um mein Leben zu finanzieren. Ein Schlosser, der sein Handwerk exzellent beherrscht, steht auch nicht in der Zeitung. Ich bin der gleiche Typ. Ich mache meinen Job, so gut ich kann, und wenn ich fertig bin, gehe ich nach Hause zu meiner Familie.
WELT ONLINE: Wie lange wollen Sie das noch tun? Sie boxen ja nun schon seit Ihrem achten Lebensjahr.
Hill: Solange ich so gut bezahlt werde und noch so fit bin wie heute.
WELT ONLINE: Wovon träumen Sie?
Hill: Mich nach dem Sieg gegen Henry bei Dariusz zu revanchieren.
WELT ONLINE: Dem Sie im Vereinigungskampf vor zehn Jahren in Oberhausen nach Punkten unterlegen waren.
Hill: Seine Nummer habe ich mir schon besorgt. Nach dem Kampf werde ich ihn persönlich anrufen.
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Ich weiß, Henry Maske ist auf jeden Fall Boxtechnisch besser als Axel Schulz. Ich hoffe, er hat genügend Kondition. Ich freue mich auf den Boxkampf.
Ich tippe trotzdem auf Virgil Hill! Er wird gewinnen!
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- 12. März 2007 23:35
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